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„Viele Immobilien zu teuer gekauft“

Immobilienpreise liegen derzeit auf hohem Niveau, nicht nur in der Doppelstadt, Tendenz steigend. Zwei Immobilienexperten verraten, wie der Markt derzeit tickt und wie er sich entwickeln wird.

Villingen-Schwenningen – Wer Besitzer einer Immobilie ist, hat sicher schon einmal im Internet oder mithilfe von Smartphone-Apps gespickt, was sein Eigentum eigentlich wert ist. Viele Anbieter, zum Beispiel die Plattform Scoperty, locken im Netz mit kostenlosen Hausbewertungen. Für Einfamilienhäuser in ansprechender Villinger Wohnlage werden dort teils sportliche Preise ausgerufen. 500 000 Euro bis zu einer Million sind keine Seltenheit. Manch ein Eigentümer ist sich aber dennoch sicher und sagt: „Viel zu wenig für mein Haus.“


Eine andere Bewertungsplattform ordnet ganzen Wohngebieten Durchschnittspreise zu. Für beliebte Ecken in Villingen werden hier Summen von 2400 bis knapp 3000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche vorgeschlagen. In unserem aktuellen Angebot im Neubaugebiet „Friedrichspark“ liegt der Quadratmeterpreis je nach Ausstattung, Lage und Größe zwischen 3900 Euro und 4500 Euro“, berichtet Ronny Bloß, Leiter der Immobilienvermittlung bei der Sparkasse Schwarzwald-Baar. Für Eigentümer sind solche Summen sicher Balsam für die Seele. Menschen, die gerne in eine eigene Immobilie investieren möchten, treiben die immer weiter steigenden Zahlen Schweißperlen auf die Stirn. Woher kommt dieser Optimismus auf Verkäuferseite? Und sind die Preise wirklich so hoch?


Professionelle Bewertung wichtig
Der Villinger Makler Manfred Nirwing sagt dazu: „So etwas wie allgemeine Quadratmeterpreise gibt es nicht.“ Auch Einzelbewertungen für Häuser im Netz sieht er kritisch. „Um ein Gefühl zu bekommen und als Anregung sind solche Plattformen geeignet“, sagt er und fügt hinzu: „Für mehr aber auch nicht.“ Nirwing ist seit über 20 Jahren im Immobiliengeschäft in der Region tätig und hat viel Erfahrung. Er ist sich sicher, dass beim Kauf und Verkauf immer eine professionelle Bewertung der Objekte notwendig ist. Ähnlich sieht das Ronny Bloß: „Es drängen auch im Immobilienbereich immer mehr neue Startups auf den Markt, um den Immobiliensektor zu digitalisieren“, sagt er.

Der Grundgedanke sei nachvollziehbar. Bei der Preisermittlung sei jedoch zu bedenken, dass keinerlei Renovierungen und Sanierungen berücksichtigt werden. Weitere Punkte nennt Nirwing: „Der Zustand der Objekte, die Ausstattung sowie lokale Gesichtspunkte werden nicht berücksichtigt. “Eine Makler-Beratung könne Käufer daher vor zu hohen Kosten schützen, aber auch Verkäufern mehr Sicherheit bieten, etwa um späteren Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen. Das betont auch Bloß: „Die Markt- und Preislage verändert sich rasch. Viele Verkäufer verlieren dabei schnell den Überblick. Viele ‚Häuslebesitzer’ sind uns daher regelrecht dankbar, dass wir ihnen im Rahmen unseres Makler-Services eine realistische und aktuelle Markteinschätzung geben können.“


Angebot und Nachfrage
Die Nachfrage nach Immobilien sei nach wie vor ungebrochen hoch und übersteige das Angebot deutlich, davon ist Ronny Bloß überzeugt. „Sowohl das anhaltende Niedrigzinsniveau als auch die Coronakrise, die dem Wohnen nochmals einen höheren Stellenwert verliehen hat, befeuert die hohe Nachfrage.“ Als unerschwinglich werten Nirwing und Bloß Immobilien jedoch nicht. „Ein Angebote existiert“, so Nirwing. Allerdings würden Kunden manchmal mit überhöhten Preisvorstellungen zu ihm kommen. Bei Kaufinteressenten beobachtet er gelegentlich ein entgegengesetztes Bild. „Das Problem ist dann, dass Wunsch und Realität zu weit auseinanderliegen“, so Nirwing. „Ein Schloss gibt es nicht für kleines
Geld.“ Rückblickend ist er auch sicher, dass in den vergangenen Jahren viele Objekte von privat an privat zu teuer gekauft wurden.


Trendumkehr hat begonnen
Gerade in Umlandgemeinden beobachtet Nirwing eine erste Trendumkehr. Sowohl Nachfrage als auch Preise seien hier leicht zurückgegangen, so der 53-Jährige. In den Stadtzentren, vor allem in Villingen-Schwenningen, beobachtet er bei den Preisen eine Seitwärtsbewegung, mit rasanten Preisanstiegen rechnet er in naher Zukunft nicht. Als Grund nennt er den Bauboom der letzten Jahre, durch welchen viele Wohnungen auf den Markt kommen. „Der Bedarf nach diesen Wohnungen ist vorhanden, auch deshalb, weil es da vor viele Jahre lang verschlafen wurde, neuen Wohnraum zu schaffen“, ist sich der Makler sicher. Dennoch wird sich die Lage durch die vielen Bauprojekte in Zukunft entspannen. Etwas vorsichtiger fällt die Einschätzung von Bloß aus: „Im Immobiliengeschäft gibt es immer eine Wellenbewegung. Wann der Höchststand erreicht wird oder ob dieser bereits erreicht ist, kann nicht mit
Sicherheit gesagt werden.“


Die gestiegenen Preise der vergangenen Jahre erklärt Nirwing so: „Wir haben uns hier lange auf einem sehr niedrigen Preisniveau bewegt. “Den Anstieg sieht er als eine Angleichung an das allgemeine Marktniveau. Warum diese Angleichung jetzt kam, könnte auch mit veränderten Lebensumständen
der Menschen zu tun haben. Durch Homeoffice verliere beispielsweise die Nähe zum Arbeitsplatz an Bedeutung. Die Auswirkung: Immobilien in ländlichen Regionen sind wieder gefragter. Pendler und Grenzgänger seien bereit, längere Fahrten auf sich zu nehmen.


„Die Nachfrage im Baufinanzierungsbereich ist ungebrochen hoch. Die Baufinanzierungskredite sind in 2020 um 43,9 Millionen Euro auf 289,8 Millionen Euro gestiegen“, erklärt Immobilienfachmann Bloß. Bei der Zielgruppe „Käufer“ könne man bei Eigennutzern keine spezielle Zielgruppe definieren. Das Interesse bestehe über alle Zielgruppen hinweg. „Jeder möchte ein schönes Zuhause haben.“ Bei Verkäufern würden hingegen zwei Segmente herausstechen, einerseits Immobilien aus Scheidungsangelegenheiten und
zum anderen aus Erbangelegenheiten. Auch Nirwing hält Immobilienkäufe aufgrund des günstigen Zinsniveaus mit durchschnittlichem Einkommen finanzierbar. Von Vorteil sei es, wenn Eigenkapital vorhanden ist, was jedoch kein Ausschlusskriterium darstelle. „Grundsätzlich gilt: Umso mehr Eigenkapital, desto einfacher ist die Finanzierung für den Kunden darstellbar“, erklärt Bloß. Aber auch die Immobilie, das Einkommen sowie weitere Faktoren seien für eine Finanzierung entscheidend.


Was die Preise treiben könnte

Vor allem bei Neubauten oder bei sanierungsbedürftigen Immobilien könnten steigende Rohstoffpreise für weitere Anstiege sorgen. Zuletzt hatte vor allem die riesige Nachfrage nach Holz die Kosten explodieren lassen. Manch ein Bauprojekt musste deshalb gar verschoben werden. Einen weiteren Risikofaktor sieht Nirwing in den Vorgaben für das ökologische Bauen. „Werden Standards weiter angehoben, treibt das die Baukosten in die Höhe.“ Ronny Bloß sieht im aktuellen Niedrigzinsumfeld sowie in der Pandemie die Haupteinflussfaktoren auf die künftige Preisentwicklung. Veränderungen im politischen und wirtschaftlichen Umfeld könnten sich ebenfalls auswirken.

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